Michail M. Bachtin, der durch die Entwicklung der literaturwissenschaftlichen Paradigmen der Dialogizität und Polyphonie Berühmtheit erlangte, wurde noch nicht ausreichend als Vertreter der ihrerseits vernachlässigten russischen Philosophie wahrgenommen. Bereits in den philosophischen Fragmenten des Frühwerks bilden Dialog und Vielfalt den roten Faden. Unter der Prämisse seines dynamisch-organischen Menschenbildes ist der Mensch dort am vollkommensten, wo ihm ein anderer antwortet. Bachtins Frühwerk ist ein mutiges, aber nicht leicht zugängliches Plädoyer für eine menschliche Einheit in der Vielfalt und Vielfalt in der Einheit, das historisch und systematisch interpretiert und erschlossen wird. Die Phänomene Liebe und Tod veranschaulichen dieses Modell gegenseitiger Anerkennung, das vielfältige interdisziplinäre Anknüpfungspunkte bietet.